Presseecho


Revierkrimi als neuer Heimatroman

(NRZ- ESSEN, LOKALAUSGABE, 26.05.2000, Martina Schürmann)

Die Kollegen haben ihm den Titel verpasst: Als wandelnde  "Enzyklopädie des Krimis" oder ähnlich wird Reinhard Jahn in Fachkreisen gerne angekündigt. Und auch wenn das "Hirn" des literarischen Verbrechens über derlei Lorbeeren den Kopf schütteln kann, ist der Mann doch eine Krimi-Instanz im Ruhrgebiet. Schließlich hat er das Bochumer Krimiarchiv, kurz BKA, mit 17 000 deutschen Krimi-Erstausgaben aufgebaut - und inzwischen nach Essen verlagert. Und weil Jahn, Autoren-Pseudonym H. P. Karr, nicht nur Sammler, sondern auch Erzähler ist, hat er auch manche eigene Leiche im Keller. Selbst der nämlich muss inzwischen als Archivraum herhalten.

Doch ab Montag kommt alles raus: "Spitzentäter", "übliche Verdächtige" und natürlich das "Syndikat" treffen sich in Essen bei der "Criminale". Rund 80 deutschsprachige Autoren machen die Stadt bis zum 4. Juni zum erlesenen Tatort. Gar nicht inkognito, sondern "kontaktfreudig" sollen sie dabei vorgehen, versichert Jahn. Und der muss es als Gründungsmitglied des "Syndikats" ja wissen,  jener Krimi-Autorenvereinigung, die sich, das Genre und die Publicity alle zwei Jahre mit einem Treffen rund um "Namenspatron" Friedrich Glauser fördert.

Den "Glauser"-Preis gibts natürlich auch - 10 000 Mark in kleinen, nicht fortlaufend nummierten Scheinen. Am 3. Juni wird er im Europahaus verliehen. Und bis dahin wird man vielleicht auch wissen, was neben den gerade angesagten Medien-Krimis und den Privatdetektiv-Figuren unter den 250 Neuerscheinungen jährlich zu erwarten ist: Ermittlungen mit Lokalkolorit in jedem Fall. "Revierkrimis sind die neuen Heimatromane der Region",  glaubt Jahn, denn: Der Krimi sei näher an der Gegenwart,  häufig schnell und mit aktuellen Bezügen geschrieben, erläutert Jahn, der im rauhen Schimanski-Land eben nicht so den Nährboden für Lyrik sieht. Obschon, da ist sein Mit-Autor Walter Wehner der Krimi-schreibende Gegenbeweis. Kommt von der Lyrik her, der Mann, und hat bisweilen doch gerne mal Blut an der Feder. Mit  ihren Gonzo-Romanen hat das Autoren-Duo für Furore gesorgt. Literatur-Förderpreis Ruhrgebiet und Glauser-Autorenpreis  belegen den Erfolg zweier Überzeugungstäter, die die  "Schrecken der Großstadt" nun humorvoll aufbereiten  wollen. Und diesbezüglich referieren Wehner und Jahn Montag an einem Ort, wo enzyklopädisches Wissen gefragt ist - in der Volkshochschule (19.30 Uhr).